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Was die digitale Fotografie nicht kann

Im Winter 1999 fotografierte ich noch analog und in schwarz-weiß. Die Fotografie war damals im Vergleich zu heute voller Einschränkungen und Mühen. Und vielleicht gerade deswegen war sie für mich etwas Besonderes. Ich habe noch auf einer Kamera mit echtem Fotofilm das Fotografieren gelernt, zum Glück. Denn das hat die digitale Fotografie nicht mehr: Den Charme des mühevoll Gearbeiteten und dennoch mit (kleinen) Unperfektheiten versehene. Das Seltene und Besondere, weil das Massenprodukt Foto noch nicht im heutigen Überfluss vorhanden war.

Natürlich, ich liebe meine digitale Kamera (eine Canon Eos 550D) und schieße wirkliche Unmengen von Fotos (siehe Statistik der Weltreise). Und doch zehre ich noch heute davon, damals in der Dunkelkammer das Entwickeln von Bildern gelernt zu haben.

Steinstufen in Südfrankreich

 

Südfrankreich im Winter

Im November 1999 hatten heftige Regenfälle in Südfrankreich weite Teile des Langeduoc Rousillion unter Wasser gesetzt. Die Landschaft lag im grauen Winterschlaf. Mit nur 36 Bildern in der Kamera reiste ich mit meiner Oma durch die Weinberge und fing das Sommerparadies Südfrankreich im Winter der Katastrophe ein. Diese Bilder erinnern mich an die Zeit der analogen Fotografie und was ich rückblickend an ihr mag.

kaputte Autos in schwarz-weiß

 

Die Handvoll Dreck

Sie ist die Seele der Fotos, die Handvoll Dreck. Bei den analogen Bildern sind das die Staubflusen auf dem Fotopapier, die Grenze der Schärfe bedingt durch Fotopapier und Film. Es sind Dinge, die man beim Fotografieren übersehen hat. Es war das Überraschungselement, wenn ich nach dem Entwickeln zum ersten Mal das Bild sah.

 

Nur ein Schuss

36 Bilder für eine Reise. Das trainierte mein Auge. Jedes Motiv fotografierte ich genau ein Mal. Deswegen war ich sorgfältiger und vielleicht emotionaler in der Auswahl der Motive und der Komposition des Bildausschnitts.

So entwickelt wie entstanden: Schatten und Garten in Narbonne

 

Die Unmittelbarkeit der Gestaltung

Natürlich wurden auch damals zu den analogen Zeiten Bilder noch nachbearbeitet. Das tat ich mit meiner eigenen Hände Arbeit in der Dunkelkammer: Belichtungszeiten, Kontrastfilter, Abwedeln, Entwicklerbad und dann Licht an, Ergebnis begutachten und nochmal von vorn und besser. Ich wiederholte das unzählige Male. Das war nicht nur mein direkter Zugang zur Entstehung eines Fotos, das Foto wurde mit jedem Arbeitsschritt umso mehr mein Baby.

 

Das Unveränderliche

Zugegeben, Fotomontagen und Manipulationen gab es schon immer in der Fotografie. Dennoch, im Normalfall war ein geschossenes Foto das Foto. Das zwang zu mehr Sorgfalt beim Fotografieren und gab ihm etwas Schicksalhaftes. Denn im Nachgang gab es keine schnellen digitalen Korrekturen, keine ein-Klick-HDR-Nachbearbeitung und kein mal-schnell-den-Hintergrund-breiter-Stempeln.

Weinberg im Winter

 

Seit 1999 sind Fotos viel zahlreicher und besser geworden, sie zirkulieren in unvorstellbaren Mengen durch die Netze und unser Leben. Jedes zweite Handy schießt mittlerweile bessere Bilder als ich damals mit meiner alten Canon T70. Und das ist eine tolle Entwicklung.

Trotzdem habe ich die Zeit der analogen Fotografie genossen und die vielen Erfahrungen und Erinnerungen mitgenommen. Jedes Mal wenn ich heute durch den Sucher meiner digitalen Kamera schaue, lacht ganz leise der kleine analoge Fotograf in mir.

Dorf und Berg in schwarz-weiß

 

 

 

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