Bulgarien
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Sofia: mal alt, mal cool und immer überraschend

So unfassbar viele Überraschungen wie in Sofia habe ich beim Reisen selten erlebt. Die Stadt hat so viele verschiedene Seiten, die einfach einen großartig-charmanten Mix abgeben: kommunistische Monumentalbauten treffen auf Streetart und archäologische Fundstätten in U-Bahnhöfen auf moderne Restaurants und Cafés. Hier mein Reisebericht und ein paar Tipps aus Sofia:

alte Sowjet-Architektur

Das spannende Kontrastprogramm beginnt morgens auf dem Weg in die Stadt: Der Taxifahrer sitzt ernsthaft im grauen Jogging-Anzug im Wagen, Dreitage-Bart, in der einen Hand eine Zigarette und in der anderen einen Kaffee: „Where do you want to go?“ grummelt er.

Kurz darauf in der Innenstadt treffe ich auf Yana, sie lacht mich an: „Fertig dir Sofia anzuschauen?!“ Sie zeigt mir und einer Gruppe anderen Touristen die Stadt, kostenlos. Die Idee dazu komme aus Berlin, erzählt sie mir. Ich bin platt, das wusste ich selbst als Berliner nicht! Was eine Handvoll Studenten vor drei Jahren gestartet haben, ist mittlerweile richtig erfolgreich: An manchen Tagen kommen 70 Leute um an einer Free Sofia Tour teilzunehmen. Yana winkt ihre Gruppe zusammen, ruhig, offen und voller Energie zieht sie mit uns los.

Yana und Filip starten die Free Sofia Tour

Ein Straßenhund folgt uns, wir sind sein Rudel für die nächsten zwei Stunden. Noch so eine Seite der Stadt: Es gibt viele Straßenhunde in Sofia, viele haben eine rote Marke im Ohr (das heißt sie sind herrenlos und kastriert), tagsüber chillen sie und nachts machen sie manchmal Radau in den leeren Straßen.

unser Tour-Hund

 

Die alte Stadt

„Die hier gab es schon immer, hier herum wurde die Stadt gebaut!“ Yana zeigt auf die heiße Quelle vor uns, sie liegt mitten in der Stadt! Wo gibt’s das sonst noch?! An mehreren Becken füllen Rentner das heiße kostenlose Mineralwasser in 5-Liter-Kanister aus Plastik. „Ihr könnt es trinken,“ ruft Yana „Probiert mal!“ Das Wasser ist wirklich sehr heiß für meine kalte Hand und schmeckt ganz gut. Eine wundersame Wirkung hat es zu meiner Enttäuschung leider nicht gehabt – vielleicht muss ich beim nächsten Mal einfach fester daran glauben.

heiße Quelle mitten in der Stadt

Sofia ist alt, sehr alt. Schon vor 8000 Jahren sollen hier die Menschen gesiedelt haben. In der Zwischenzeit ist viel passiert, die Römer, die Osmanen und schließlich die Russen kamen und gingen wieder. Konstantin der Große liebte sein Serdika (wie die Stadt damals hieß) und beinahe wäre sie Hauptstadt geworden. Dann entschied sich Konstantin aber für Konstantinopel (Istanbul) als Hauptstadt, weil es einen Hafen hatte.

Und überall in der Innenstadt finden sich noch die Spuren der tausende Jahre alten Stadtgeschichte: Im U-Bahnhof sind unter die Erde die Reste der alten Stadtmauer zu sehen. Im Hof des Präsidentenpalastes eingemauert steht die St. Georgs Rotunde aus dem 4. Jahrhundert, das älteste Gebäude Sofias mit Dach. Und im Kellergewölbe der Kirche Sweta Sofia sind noch alte Grundmauern und Steingräber zu sehen. Beim Bau der U-Bahnlinien wurden so viele archäologische Funde gemacht, dass man für eine Linie 15 Jahre brauchte.

St Georg Rotunde

Natürlich zeigt uns Yana noch die Kirchen von Sofia. Die (orthodoxe) Kathedrale Sweta Nedelja, die 1925 von den Kommunisten gesprengt wurde um den König zu töten (er überlebte, aber 120 andere Menschen starben) und die in direkter Nachbarschaft einer Moschee, der katholischen Kirche und einer Synagoge liegt. „Unser Quadrat der Toleranz – alle Religionen einen Steinwurf voneinander entfernt, aber sie werfen niemals Steine nach den Anderen, so wie es sein sollte“

Alexander Newski Kathedrale

Und natürlich schlendern wir noch zur Alexander Newski Kathedrale, der riesigen Kirche die zum Wahrzeichen von Sofia geworden ist. Und wir stoppen an einem der schönsten Gebäude von Sofia: Dem roten Nationaltheater, eröffnet wurde es 1905 und es gab direkt einen Skandal: Oben in den Ornamenten hatte man den kleinen Penis eines Engelchens vergoldet.

Das Nationaltheater

wer entdeckt das goldene Stück?

 

Nett, schön und gemütlich ist es!

Abseits von den kommunistischen Prachtbauten und den historischen Wurzeln gibt es noch ein anderes Sofia, alternativer, schöner, gemütlicher und netter. Vor allem in der Zar Schishman Straße und Umgebung liegen eine Reihe wirklich schöner kleiner Cafés und Restaurants.

Überall werde ich liebenswert begrüßt: Bei Supa Star (Suppe und Sandwich) kann ich die kyrillischen Schilder nicht lesen – kein Problem, man öffnet jeden Suppentopf für mich. Im Tea House bekomme ich den bulgarischen Bergtee erklärt (Mursalsky) den ich unbedingt mit bulgarischem Honig trinken solle. So sitze ich in diesem süß-und fruchtig riechenden Raum im alten Lehnstuhl und schlürfe Kräutertee aus bulgarischen Höhenlagen.

Mursalsky Tee

Und auch abends geht es in den Bars richtig nett zu. Im Roderick sitzt ein Gitarrist auf dem Podest über der Bar und spielt die alten Klassiker von Pearl Jam und Nirvana. Dazu gibt es ein Bier im Stehen, es ist voll und gemütlich.

 

Streetart und kleine Entdeckungen überall

In Sofia fällt mir sofort auf, dass es bunt ist. So ziemlich jeder Stromkasten ist bemalt, jeder von einem anderen Künstler. Vor ein paar Jahren beschloss man so die Stadt farbiger zu machen und es hat geklappt. Ich lasse mich durch Sofia treiben und stolper von Kunstwerk zu Kunstwerk.

Fanta liebt Streetart

noch mehr Kunst

Unerwartet entdecke ich einen alten Trabant in der Zar Shishman Straße. Sein Lack glänzt, gut gepflegt steht er am Straßenrand. Ein Stück alter Osten, über das ich mich richtig freue: Cool dass es noch erhalten ist!

der Trabbi!

Ein wirklich schönes Beispiel, wie sich die Menschen von Sofia ihre Stadt zurückerobern ist das alte Denkmal zu Ehren der Sowjetarmee anlässlich der „Befreiung“ Bulgariens (die offen gesagt keine „Befreiung“ war). Heute sind hier Rampen installiert für Skater, und anstatt zu „gedenken“ fetzen die Jungs mit ihren Skateboards über die Anlage.

Denkmal zu Ehren der Sowjetarmee: heute für Skater

Eine weitere coole Spezialität Sofias bemerke ich beim Spazieren in Kniehöhe: Die KleckShops. Das sind Kioske im Keller die Zigaretten, Kaffee, Alkohol und alles was man unterwegs so brauchen könnte verkaufen. Sozusagen tiefergelegte Spätis.

Kaffee und Zigaretten im Keller

 

Mein Wochenende in Sofia war der perfekte Städtetrip. Zum Nachahmen empfohlen, Sofia lässt sich gut an zwei bis drei Tagen erforschen: Die Sehenswürdigkeiten liegen relativ dicht beieinander und können zu Fuß gut erlaufen werden. Unterkünfte, Verpflegung, Taxis usw. sind preiswert. Hier nochmal zusammengefasst ein paar Infos und Tipps:

 

Hinkommen

Der Flughafen Sofia liegt nahe am Stadtzentrum, mit dem Taxi ist man rasch in der Stadt. Air Berlin, Lufthansa, Bulgaria Air und andere fliegen regelmäßig und teilweise sehr preisewert.  Preise können bei Skyscanner verglichen werden.

Bei Taxis auf das Schild der Tarife achten, sie sollten so um 0,80 BGN (Lew) pro Kilometer liegen (Stand März 2014). Gute Taxi Companies sind OK (mit roten Punkten im Logo) und Yellow Cab. Ein wenig Vorsicht ist geboten, einige Taxen versuchen überhöhte Preise zu berechnen (aber auch diese müssen an der hinteren Tür angebracht sein und sind so problemlos zu erkennen).

Reiseührer: In den meisten Hotels gibt es kostnelose Karten die ihren Dienst tun, ich selber bin auch ohne Buch gut zurecht gekommen. Wer aber länger in Bulgarien reist, möchte sich vielleicht den Marco Polo gönnen.

Free Sofia Tours finden täglich um 11 Uhr und um 18 Uhr statt. Treffpunkt ist vor dem Justizpalast am Vitosha Boulevard (Ecke Alabin Straße). Mehr unter freesofiatour.com

 

Wichtige Straßen:

  • Bars und nette Shops: Zar Shishman Straße (Google Maps)
  • Haupt-Einkaufsstraße und Clubs: Vitosha Boulevard (Google Maps)
  • Marktstände liegen auf der Graf Ignatiev Straße (Google Maps)

 

Eine Handvoll Sehenswürdigkeiten / zum Anschauen:

  • Reste der alten Stadtmauer in der Unterführung am ehemaligen Haus der Kommunistischen Partei (Largo)
  • St Georgs Rotunda im Hof des Präsidentenpalastes
  • Die Alexander Newski Kathedrale
  • Die Sweta Sofia und die Ausstellung im Kellergeschoss (mit den alten Mauern)
  • Die heißen Quellen (an der Ecke Ekzarh Yosif Straße / Sedika Straße)
  • Das Nationaltheater Iwan Wasow und der Platz davor (im Sommer mit Schachspielern)
  • Die russische orthodoxe Kirche
  • Die Kathedrale Sweta Nedelja und das Quadrat der Toleranz
  • Die Banja-Baschi-Moschee (ebenfalls am Quadrat der Toleranz)

 

Meine Reise nach Bulgarien und Sofia wurde mir ermöglicht von Bulgarien Tourismus, danke dafür!

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